Ist Fußball in der Eifel künftig noch attraktiv? Interview mit Achim Züll

Ist Fußball in der Eifel künftig noch attraktiv?

Trainer-Ikone Achim Züll: „Viele Vereine haben geschlafen – allen voran der SV Nierfeld“

achimzuell

Achim Züll

 

Sie haben mit dem SV Nierfeld zwei Mal den Aufstieg in die Mittelrheinliga geschafft, konnten die Klasse jedoch nicht halten. Wie bewerten Sie rückblickend diese Zeit?

Wir haben diese Erfolge gerne mitgenommen und neue Erfahrungen gesammelt, die alle Beteiligten weiter gebracht haben. Ich persönlich habe viele renommierte Kollegen, wie zum Beispiel Wilfried Hannes (Coach von Borussia Freialdenhoven, Anm. d. Red.), kennen und schätzen gelernt und würde es als Trainer wieder probieren. Für einen Verein wie unseren ist die Liga aber auf Dauer nicht zu stemmen. Nur wer über die nötigen finanziellen Mittel verfügt, kann sich dort behaupten. Elf oder zwölf gute Spieler reichen auf diesem Niveau nicht aus.

Nach dem Abstieg wurde Ihre Mannschaft von vielen Experten zum Favoritenkreis in der Landesliga gezählt. Davon kann derzeit keine Rede sein.

Ich habe immer vor der Stärke der Gruppe gewarnt. Uns ist es zwar gelungen, nach dem unerfreulichen Ende der vergangenen Saison eine vernünftige Mannschaft auf die Beine zu stellen, doch die besten Leute haben so gut wie nie zusammen auf dem Platz gestanden. Dazu kommt, dass sich der Verein keinen breiten Kader mehr leisten kann. Man muss es so deutlich sagen: Wir sind kein Spitzenteam mehr.

Welches Abschneiden ist in der aktuellen Spielzeit realistisch?

Unser primäres Ziel ist der Klassenerhalt und das wird noch schwer genug. Westwacht Aachen hat aus meiner Sicht keine Chance, doch dahinter gibt es viele Klubs, die es am Ende erwischen könnte. 36 Punkte werden nötig sein, um sicher drin zu bleiben. Ich hoffe, dass uns Martin Kerkau schnell wieder helfen kann. Seine Torgefahr fehlte uns enorm.

Das klingt alles andere als euphorisch.

Ich möchte nicht jammern. Um mich herum arbeitet ein hervorragendes Trainer- und Betreuerteam, was für viele Kollegen keineswegs selbstverständlich ist. Die Bedingungen mit unserem Vereinsheim inklusive des Verkaufs bei Heimspielen und dem Kunstrasen sind auch gut, doch nun müssen neue Strukturen geschaffen werden, um für die nächsten Jahre gerüstet zu sein.

Was meinen Sie konkret?

Wenn es so weiter läuft, wird es kaum möglich sein, in den nächsten Saisons noch in der Landesliga zu bestehen. Ich habe schon erwähnt, dass der Verein nicht mehr über das Budget verfügt wie in der jüngeren Vergangenheit. Trotzdem muss es gelingen, die Leistungsträger zu halten und – was noch viel schwieriger ist – talentierte Nachwuchskräfte zu finden, die uns weiterhelfen können.

Der SV Nierfeld ist immer noch das sportliche Aushängeschild im Altkreis Schleiden. Was macht die Suche so kompliziert?

Das Niveau in der Kreisliga A ist leider stark gesunken und die wenigen Vereine aus der Region wie die SG Oleftal kämpfen gegen den Abstieg. Im Juniorenbereich gibt es außer den Sportfreunden 69, die in den letzten Jahren höherklassig gespielt haben, keine Mannschaft, die auf diesem Level unterwegs ist. Der Sprung in die Landesliga ist für diese Jungs zu groß.

Wo liegen die Ursachen dafür? Gibt es in der Eifel keine Talente mehr?

Die wenigen richtig guten Leute gehen frühzeitig zu anderen Vereinen, zum Beispiel im Kölner Raum, die ihnen ganz andere Möglichkeiten anbieten können. Man muss leider auch feststellen, dass sehr viele Vereine geschlafen haben, allen voran der SV Nierfeld. Wir haben weder eine A- noch eine B-Jugend und müssen nun mehrere Jahre überbrücken, ehe die ersten Nachwuchsspieler in den Seniorenbereich aufrücken. Das ist ein unhaltbarer Zustand.

Wie lautet denn Ihr Lösungsansatz?

Nur über einen Zusammenschluss der Vereine ist ein sportliches Überleben möglich. Das A-Jugendteam aus der Region, das derzeit unter der Spielgemeinschaft SG 92/Bronsfeld-Oberhausen/Oleftal läuft, muss mit ins Boot geholt werden, ebenso der Ort Gemünd, der über eine lange Fußballtradition verfügt. Wenn ich zu entscheiden hätte, würde ich mit Gemünd und Olef ab der kommenden Saison fusionieren – nicht nur im Jugend-, sondern auch im Seniorenbereich.

Dieser Vorschlag dürfte bei einigen auf Widerstand stoßen.

Fakt ist aber, dass es die jeweiligen Klubs alleine nicht mehr schaffen können, weil die Manpower fehlt und die Fußballverrückten – wie unser Vorsitzender Kalle Büser oder mein ehemaliger Trainer Peter Decker – immer seltener werden. Die Frage ist doch: Wer tut sich das heute noch an? Mit einer One-Man-Show ist auf Dauer niemandem geholfen.

Die Faszination für die Bundesliga ist ungebrochen, der WM-Titel hat der Entwicklung gewiss nicht geschadet. Warum fehlt die Begeisterung der Menschen für die Basis?

Einerseits deshalb, weil die Qualität in den unteren Ligen gesunken ist. Wie oft höre ich, wenn jemand von einem Spiel der Kreisklasse kommt, den Satz: „Das kann man sich ja nicht mehr mitangucken!“ Uns sind die Zuschauer bislang treu geblieben, weil das Niveau noch in Ordnung geht. Das zweite große Problem ist, dass Sky eine Menge kaputtgemacht hat. Wer läuft denn am Sonntag noch bei Wind und Wetter zu einem Amateurspiel, wenn er um 15.30 Uhr die Bundesliga ganz gemütlich auf der Couch verfolgen kann?

Auch bei vielen jungen Leuten hat man den Eindruck, dass die Couch – mitsamt der Spielkonsole und FIFA 15 – dem Fußball in natura immer öfter vorgezogen wird.

Die Bolzplatzmentalität ist nicht mehr da, das stimmt. Auch wenn man fairerweise sagen muss, dass die schulische oder berufliche Belastung und die räumliche Distanz sicher größer geworden sind als zu meiner aktiven Zeit, als vieles in der Nähe des Heimatortes passierte. Während wir als Kinder um 15 Uhr auf dem Sportplatz waren, sind heute viele noch in der Schule. Abends ist das Videospiel dann die bequemere Lösung.

Wo rangiert der Vereinsfußball auf der Skala des Nachwuchses?

Auf jeden Fall ist der Stellenwert rapide gesunken. Heute hat jeder zahlreiche Interessen und am Wochenende steht das Feiern im Vordergrund – und das nicht nur freitags, sondern auch bis morgens früh vor einem wichtigen Spiel. Auch meine Generation ist abends natürlich rausgegangen, doch wir waren eher im Bett und am Sonntag dementsprechend fit.

Also ist es eine Sache der Einstellung?

Ich war sicher nie ein Riesenkicker, doch zum Training bin ich immer gegangen. Was ein Coach von seinen Spielern mittlerweile an Entschuldigungen oder vielmehr Ausreden zu hören bekommt, ist wirklich zum Lachen. Einer hat sich mal mit der Begründung abgemeldet, dass die Katze seiner Freundin Junge bekommen hat.

Der Trainerjob macht Ihnen trotzdem immer noch Spaß. Wie lange wollen sie ihn beim SV Nierfeld ausüben?

Es ist kein Geheimnis, dass es Anfragen gab, doch ein Wechsel würde für mich einen wahnsinnigen Aufwand bedeuten. Deshalb ist das momentan kein Thema. Außerdem habe ich dem Präsidenten versprochen, ihn in der jetzigen Phase mit vollem Einsatz zu unterstützen. Entscheidend ist für mich, dass eine Perspektive vorhanden ist. Dann könnte ich mir auch durchaus vorstellen, mit dem SV Nierfeld in der Bezirksliga zu arbeiten.

Er trainiert den SV Nierfeld bereits in der 15. Saison und kann einige Erfolge mit seinem Verein vorweisen. Der bald 49-jährige Achim Züll macht sich jedoch große Sorgen um die sportliche Zukunft des Landesligisten.Er denkt, dass die ganz großen Triumphe für die Nierfelder der Vergangenheit angehören. Über die Gründe unterhielt sich der Bundeswehrsoldat mit Markus Brackhagen.

 

Interview und Bilder von der Kölnischen Rundschau (www.rundschau-online.de)

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1 Kommentar

    • Winfried auf 18. Januar 2015 bei 20:02
    • Antworten

    Klasse Achim,

    in Dir lebt nicht nur der Eifel -, sondern auch der menschliche und sportliche Geist.

    Der zwei Personen Fan Block aus AC – Eilendorf.

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